Frische Impulse für die gewerkschaftliche Jugendarbeit – „Die Woche hat sich echt gelohnt!“
Beim Besuch in Finnland erhielten Mitglieder der IG Metall Jugend Einblicke in das Gewerkschaftsleben außerhalb Deutschlands und Möglichkeiten zur internationalen Vernetzung.
Die traditionsreiche Zusammenarbeit zwischen der IG Metall und dem finnischen Industrieverband Teollisuusliitto setzt sich auch in diesem Jahr fort: Ende September besuchte eine etwa zehnköpfige Abordnung der IG Metall Jugend Arbeitsplätze von Mitgliedern des Verbandes und dessen Hauptquartier in Helsinki.
Die jungen Volkswagen-Mitarbeiter Sven Ackenhausen, Oliver Jüneman und Sebastian Vogel, die an verschiedenen Standorten des Konzerns in Niedersachsen arbeiten, sind mit dem Finnlandbesuch äußerst zufrieden. Als Hauptgründe für ihre Teilnahme nennen alle drei ihr Interesse an grenzübergreifendem Networking und der Gewerkschaftsarbeit in anderen Ländern.
„Die Woche hat sich echt gelohnt! Es war interessant zu erfahren, wie das Gewerkschaftsleben in Finnland abläuft“, kommentiert Ackenhausen. „Der Unterschied zu Deutschland liegt unter anderem darin, dass bei uns die Interessenvertretung durch Betriebsräte und Jugendvertretungen fest in der Arbeitskultur verankert ist.“
Ackenhausen ist einer von 15 Jugendvertreter: innen im VW-Stammwerk Wolfsburg. Als Vertrauensperson der Gewerkschaft kümmert er sich um die Auszubildenden, Praktikant: innen und anderen jungen Werksangestellten.
Sebastian Vogel absolviert eine duale Ausbildung, die das Fachhochschulstudium mit Arbeiten bei VW in Osnabrück kombiniert. Auch er lobt den Besuch:
„Wir hatten die Gelegenheit, diverse finnische Betriebe und deren unterschiedliche Arbeitsweisen kennenzulernen. Das war sehr spannend.
Beeindruckt hat mich vor allem, wie hoch das Sicherheitsniveau bei vielen Unternehmen ist. Natürlich wird auch bei uns sehr viel Wert auf die Arbeitssicherheit gelegt. Aber von den minimalen Unfallquoten, die wir bei manchen finnischen Firmen gesehen haben, sind wir noch weit entfernt.“

VERSCHLAFENER GIGANT
Da unsere Interviewpartner beim größten Arbeitgeber der deutschen Automobilindustrie in Diensten stehen, konnten wir uns die Frage nicht verkneifen, wie sie zu den Schwierigkeiten stehen, mit denen ihre Branche – und VW selbst − derzeit zu kämpfen hat. Die drei blicken optimistisch die Zukunft, sind sich jedoch der Schwachstellen bewusst. Oliver Jüneman bringt sie auf den Punkt:
„Die Probleme, nicht zuletzt bei VW, haben viele Ursachen. Zum Teil sind sie auf die schwierige Weltwirtschaftslage und mangelnde Konsumwille zurückzuführen. Manche sind aber auch selbstverursacht, beispielsweise hat VW sich zu stark auf die Premiumklasse konzentriert und den erschwinglicheren Modellen nicht genügend Beachtung geschenkt.“
Seiner Ansicht nach hat der deutsche Autoriese im Wettbewerb gegen chinesische Hersteller zu lange geschlafen. Ackenhausen ist derselben Meinung, weist aber zugleich darauf hin, dass der neue Produktionsplan des Konzerns wieder eine größere Auswahl von Fahrzeugen vorsieht, die den Alltagsbedürfnissen der normalen Kundschaft gerecht werden.
„VW hat Fehler gemacht. Aber ich bin überzeugt, dass das Unternehmen aus diesen gelernt hat und in der Lage ist, seine Position auch in Zukunft zu behaupten.“

DEUTSCHE GEWERKSCHAFTEN LOCKEN AUCH JUNGE LEUTE
Ackenhausen, Jüneman und Vogel sind der Ansicht, dass Gewerkschaften an deutschen und finnischen Arbeitsplätzen zum Teil mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben: Mitgliederrückgang, geringerer Organisationsgrad in den Betrieben und nachlassende Schlagkraft der Gewerkschaften.
Der in Finnland seit langem herrschende Nachwuchsmangel ist jedoch bei deutschen Gewerkschaften weit weniger dramatisch.
Ackenhausen erinnert daran, dass deutsche Jugendliche durch ihren zügigen Einstieg ins Berufsleben schneller mit Gewerkschaften zu tun bekommen und feststellen, wie wichtig deren Aufgabe ist. In Finnland erwerben junge Leute ihre fachlichen Qualifikationen überwiegend an berufsbildenden Schulen.
„In Deutschland findet die Berufsausbildung primär in den Betrieben statt. Dort kommen die Jugendlichen frühzeitig mit Gewerkschaften in Kontakt und sehen mit eigenen Augen, wie wichtig deren Arbeit für das Berufsleben ist“, präzisiert Ackenhausen.
Nichtsdestoweniger steht auch so manche deutsche Gewerkschaft vor dem Problem, dass weniger junge Mitglieder nachrücken. Die IG Metall verzeichnet Vogel zufolge nach wie vor regen Zulauf, aber viele andere Berufsverbände sind in Schwierigkeiten. Hinzu kommen Veränderungen der politischen Lage: angesichts zunehmender rechtsradikaler Tendenzen verspüren Gewerkschaften Druck, sich neu zu positionieren.
„Aber zum Glück gibt es immer noch genug Menschen, die die Bedeutung von Gewerkschaften verstehen und einsehen, wie wichtig es ist, sich zu organisieren“, kommentiert Vogel.
Jüneman setzt hinzu: „In Großunternehmen mit hohem Organisationsgrad ist es leichter, neue Mitglieder zu rekrutieren. Schwieriger ist es in kleinen, traditionell weniger organisierten Betrieben. Dort gibt es für Gewerkschaften noch eine Menge zu tun!“
