Die Delegation der IG Metall Jugend beim Besuch in Finnland. Der Vortrag über das finnische Gewerkschaftswesen wird mit anerkennendem Klopfen honoriert.

Frische Impulse für die gewerkschaft­liche Jugen­dar­beit – „Die Woche hat sich echt gelohnt!“

8.10.2025

TEKST TIIA KYYNÄRÄINEN
FOTOS TUUKKA RANTALA

Beim Besuch in Finnland erhielten Mitglieder der IG Metall Jugend Einblicke in das Gewerkschafts­leben außer­halb Deutsch­lands und Möglich­keiten zur inter­na­tion­alen Vernetzung.

Die tradi­tions­reiche Zusam­me­nar­beit zwischen der IG Metall und dem finnischen Industrie­ver­band Teolli­suus­liitto setzt sich auch in diesem Jahr fort: Ende September besuchte eine etwa zehnköp­fige Abord­nung der IG Metall Jugend Arbeitsplätze von Mitglie­dern des Verbandes und dessen Hauptquar­tier in Helsinki.

Die jungen Volkswagen-Mitar­beiter Sven Acken­hausen, Oliver Jüneman und Sebas­tian Vogel, die an verschie­denen Standorten des Konzerns in Nieder­sachsen arbeiten, sind mit dem Finnland­be­such äußerst zufrieden. Als Hauptgründe für ihre Teilnahme nennen alle drei ihr Interesse an grenzü­bergrei­fendem Networ­king und der Gewerkschaft­sar­beit in anderen Ländern.

„Die Woche hat sich echt gelohnt! Es war interes­sant zu erfahren, wie das Gewerkschafts­leben in Finnland abläuft“, kommen­tiert Acken­hausen. „Der Unterschied zu Deutsch­land liegt unter anderem darin, dass bei uns die Interes­sen­vert­re­tung durch Betriebs­räte und Jugend­vert­re­tungen fest in der Arbeits­kultur veran­kert ist.“

Acken­hausen ist einer von 15 Jugend­vert­reter: innen im VW-Stammwerk Wolfs­burg. Als Vertrau­ens­person der Gewerkschaft kümmert er sich um die Auszu­bil­denden, Prakti­kant: innen und anderen jungen Werksangestellten.
Sebas­tian Vogel absol­viert eine duale Ausbil­dung, die das Fachhochschuls­tu­dium mit Arbeiten bei VW in Osnabrück kombi­niert. Auch er lobt den Besuch:

„Wir hatten die Gelegen­heit, diverse finnische Betriebe und deren unterschied­liche Arbeitsweisen kennenzu­lernen. Das war sehr spannend.

Beeindruckt hat mich vor allem, wie hoch das Sicher­heits­ni­veau bei vielen Unter­nehmen ist. Natür­lich wird auch bei uns sehr viel Wert auf die Arbeits­sic­her­heit gelegt. Aber von den minimalen Unfallquoten, die wir bei manchen finnischen Firmen gesehen haben, sind wir noch weit entfernt.“

Sven Acken­hausen empfand den Besuch bei Teolli­suus­liitto und den finnischen Betrieben als sehr lohnend.

VERSCHLAFENER GIGANT

Da unsere Inter­view­partner beim größten Arbeit­geber der deutschen Automo­bi­lin­dustrie in Diensten stehen, konnten wir uns die Frage nicht verkneifen, wie sie zu den Schwie­rig­keiten stehen, mit denen ihre Branche – und VW selbst − derzeit zu kämpfen hat. Die drei blicken optimis­tisch die Zukunft, sind sich jedoch der Schwachs­tellen bewusst. Oliver Jüneman bringt sie auf den Punkt:

„Die Probleme, nicht zuletzt bei VW, haben viele Ursachen. Zum Teil sind sie auf die schwie­rige Weltwirtschafts­lage und mangelnde Konsumwille zurückzuführen. Manche sind aber auch selbst­ve­rur­sacht, beispielsweise hat VW sich zu stark auf die Premiumklasse konzent­riert und den erschwinglic­heren Modellen nicht genügend Beach­tung geschenkt.“

Seiner Ansicht nach hat der deutsche Autoriese im Wettbewerb gegen chine­sische Hersteller zu lange gesch­lafen. Acken­hausen ist derselben Meinung, weist aber zugleich darauf hin, dass der neue Produk­tionsplan des Konzerns wieder eine größere Auswahl von Fahrzeugen vorsieht, die den Alltags­bedürf­nissen der normalen Kundschaft gerecht werden.

„VW hat Fehler gemacht. Aber ich bin überzeugt, dass das Unter­nehmen aus diesen gelernt hat und in der Lage ist, seine Position auch in Zukunft zu behaupten.“

Oliver Jüneman zufolge haben die Schwie­rig­keiten seines Arbeit­ge­bers VW und anderer deutscher Autohers­teller vielfäl­tige Gründe.

DEUTSCHE GEWERKSCHAFTEN LOCKEN AUCH JUNGE LEUTE

Acken­hausen, Jüneman und Vogel sind der Ansicht, dass Gewerkschaften an deutschen und finnischen Arbeitsplätzen zum Teil mit den gleichen Heraus­for­de­rungen zu kämpfen haben: Mitglie­derrück­gang, gerin­gerer Organi­sa­tions­grad in den Betrieben und nachlas­sende Schlag­kraft der Gewerkschaften.

Der in Finnland seit langem herrschende Nachwuchs­mangel ist jedoch bei deutschen Gewerkschaften weit weniger dramatisch.

Acken­hausen erinnert daran, dass deutsche Jugend­liche durch ihren zügigen Einstieg ins Berufs­leben schneller mit Gewerkschaften zu tun bekommen und fests­tellen, wie wichtig deren Aufgabe ist. In Finnland erwerben junge Leute ihre fachlichen Quali­fi­ka­tionen überwie­gend an berufs­bil­denden Schulen.

„In Deutsch­land findet die Beruf­saus­bil­dung primär in den Betrieben statt. Dort kommen die Jugend­lichen frühzeitig mit Gewerkschaften in Kontakt und sehen mit eigenen Augen, wie wichtig deren Arbeit für das Berufs­leben ist“, präzi­siert Ackenhausen.

Nichts­des­towe­niger steht auch so manche deutsche Gewerkschaft vor dem Problem, dass weniger junge Mitglieder nachrücken. Die IG Metall verzeichnet Vogel zufolge nach wie vor regen Zulauf, aber viele andere Berufs­verbände sind in Schwie­rig­keiten. Hinzu kommen Verän­de­rungen der politischen Lage: angesichts zuneh­mender rechts­ra­di­kaler Tendenzen verspüren Gewerkschaften Druck, sich neu zu positionieren.

„Aber zum Glück gibt es immer noch genug Menschen, die die Bedeu­tung von Gewerkschaften verstehen und einsehen, wie wichtig es ist, sich zu organi­sieren“, kommen­tiert Vogel.

Jüneman setzt hinzu: „In Großun­ter­nehmen mit hohem Organi­sa­tions­grad ist es leichter, neue Mitglieder zu rekru­tieren. Schwie­riger ist es in kleinen, tradi­tio­nell weniger organi­sierten Betrieben. Dort gibt es für Gewerkschaften noch eine Menge zu tun!“

Sebas­tian Vogel freut sich über die gleichblei­bend hohen Mitglie­derzahlen der IG Metall.

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